Erkrankung
Seltene Erkrankungen
Seltene Erkrankungen sind nicht so selten, denn sie betreffen alleine in Deutschland ca. 4 Millionen Menschen und 30 Millionen in der Europäischen Union. Eine Erkrankung gilt dann als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen an ihr leiden. Sehr viele dieser Erkrankungen sind genetisch bedingt, beginnen bereits nach der Geburt oder im frühen Kindesalter und sind nicht heilbar. Die Lebenszeit und die Lebensqualität der Patienten sind meist verkürzt. Derzeit werden etwa 7.000 bis 8.000 Erkrankungen als selten oder Orphan–Diseases bezeichnet.
Cystinose
Allgemeines
Die Cystinose ist eine sehr seltene Erkrankung. In Deutschland sind ca. 80 – 135 Patienten betroffen. Die
geschätzte Häufigkeit liegt bei einem Erkrankten pro 150 000 -200 000 Neugeborenen.
Man unterscheidet drei Formen dieser Erkrankung:
- Infantile nephropathische Cystinose – mit 95 % die häufigste und schwerste Form
- Juvenile Cystinose – die erst später beginnt und nicht so schwer verläuft
- Occulaere Cystinose – die nur auf die Augen begrenzt ist.
Hintergrund
Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine lysosomale Stoffwechselerkrankung. Lysosomen sind Zellorganellen, die zelleignes und zellfremdes Material verdauen. Cystin ist eine Aminosäure. Bei der Cystinose kann Cystin nicht aus den Lysosomen ausgeschleust werden, wodurch es zuerst zu einer Anhäufung, dann zu einem Untergang des Lysosoms und in weiterer Folge der ganzen Zelle kommt. Dieser Vorgang spielt sich in allen Körperzellen ab, woraus sich erklärt, dass alle Organe bei dieser Erkrankung betroffen sind. Die Niere ist das erste schwer betroffene Organ, daneben sind die Augen, die Muskulatur, die Knochen, die endokrinen Organe (z.B. die Schilddrüse), das zentrale Nervensystem etc. betroffen. Die Erkrankung besteht lebenslang, sie ist unheilbar.
Genetik
Es handelt sich um eine autosomal rezessive Erkrankung, bei der sowohl die Mutter als auch der Vater das kranke Gen (CTNS-Gen) auf einem Chromosom (Chromosomenregion 17p13) tragen. Die Eltern sind (heterozygote) Genträger und gesund. Nur wenn beide kranken Gene auf das Kind übertragen werden, entsteht die Erkrankung. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind homozygoter Genträger ist, d.h. beide kranken Gene der Eltern erbt beträgt 25 %.
Therapie/Überleben
Das erste schwer betroffene Organ ist die Niere. Bis Anfang der 80iger Jahre stand keine Therapie zur Verfügung. Die Kinder sind meistens bereits im Alter von 10 Jahren an einer terminalen Niereninsuffizienz verstorben. 1985 wurde Cysteamin als bisher einziges Medikament für diese Erkrankung eingeführt. Großer Nachteil dieser Medikation ist, dass es sich um eine Schwefelverbindung handelt, die für einen unangenehmen Geruch der Patienten verantwortlich ist. Die Therapie muss lebenslang genommen werden.
Durch die Möglichkeit der Nierenersatztherapie in Form von einer Dialyse bzw. Nierentransplantation und der medikamentösen Therapie können die Patienten heute überleben.
Verlauf
Die Erkrankung beginnt schon während der Schwangerschaft. Die Kinder zeigen nach der Geburt zunächst keine Auffälligkeiten.
Im Alter zwischen 12 bis 24 Monaten entwickelt sich ein schwerwiegender Salz- und Elektrolytverlust, der zu einem Gewichts- und Wachstumsstillstand führt. Die Kinder sind bei Diagnosestellung zum Teil bereits so krank, dass sie eine gastrointestinale Sonde zur Ernährung und im weiteren Verlauf Wachstumshormone brauchen.
Neben der Niere sind die Augen mit Cystin-Kristalleinlagerungen in der Hornhaut betroffen. Um dieses zu vermeiden müssen die Patienten tgl. 4- 6x Cysteamin Augentropfen applizieren, um die Kristalle aus der Hornhaut zu lösen.
Typisch für die Erkrankung ist auch eine Beteiligung der Muskulatur, die zu einer Muskelatrophie (Rückgang der Muskulatur) und Hypotrophie (Muskelschwäche) führt. Der Rückgang der Muskulatur ist bereits früh am Daumenballen (Thenarhypotrophie) zu erkennen. Der Alltag kann durch die Muskelschwäche deutlich erschwert sein, da z.B. Flaschen, Joghurtgläser nicht mehr geöffnet werden können. Die Erkrankung und die Beteiligung weiterer Organe wie z.B. die Schilddrüse (Hypothyreose), die Knochen etc. sind unter medizinische Information dargestellt.
Der Zeitpunkt der Dialysepflichtigkeit hängt mit dem Zeitpunkt der Diagnosestellung zusammen. Je später der Patient diagnostiziert wird, desto früher benötigt er eine Nierenersatztherapie. Bisher kann die Diagnose noch nicht im Rahmen des etablierten Neugeborenenscreenings gestellt werden,weshalb wir ein Modellprojekt (siehe Projekte: Neugeborenenscreening) aufgelegt haben.
Weitere Informationen:
www.orpha.net
www.portal-se.de
www.se-atlas.de
www.achse-online.de